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Im Mai 2011 bin ich nach 6 Jahren in Irland zurück nach Deutschland gezogen und habe diesen Blog eingestellt. Mein neuer Blog heißt Geist und Gegenwart und ist unter www.geistundgegenwart.de zu erreichen.

Samstag, 18. Juli 2009

Mord und Totschlag



Gestern Nachmittag wurde wieder ein Mitglied einer Gang auf offener Straße durch Kopfschüsse von Rivalen ermordet. Diese Fehden sind in Irland ein altbekanntes Problem. Die Gewaltverbrechen gehen zwar, wie die Statistik zeigt, leicht zurück. Dublin und Limerick jedoch sind nach wie vor die Hauptstädte der Drogen- und Bandenkriminalität in Irland.

Limerick heißt bei den Iren auch "Stab City", aber - so spaßt man weiter - die Leute dort sind nett genug, dir ein Messer zu geben, wenn du deins vergessen hast. Etwa 40% aller Messerstechreien Irlands passieren in Limerick und diese Stadt ist dreimal kleiner als Cork und zehnmal kleiner als Dublin. Seltsamerweise kommt diese Gewalt aus Fehden zwischen unterschiedlichen Familien.

Die Hauptrivalen waren erst die Kellys gegen die McCarthys und später die Ryans gegen die Collopys. Michael Kelly, der Pate der Kellys, ein verurteilter Einbrecher, Gewalttäter und mutmaßlicher Mörder, wurde von den Limericks 1999 als "Alderman" in den City Council gewählt, nachdem er beinahe bürgerlich eine Security Firma aufgezogen hatte. 2004 starb er an einer Schusswunde am Kopf, die er sich möglicherweise selbst besorgt hatte.

Die heiße Phase der Familienfehden umfasst die letzten 25 Jahre. Inzwischen geht es natürlich vor allem um Prostitution (es gibt einige Bordelle, Topless-Massage-Salons und sogar eine Fetisch- und Folterkammer) und Drogen. Die geschäftsführende Familie, die Keanes, sind ursprünglich Kohlenhändler. Mutter, der Mann mit dem Koks ist da. Von Limerick aus versorgten sie Clare, Galway, Kerry, Cork und Tipperary. Man sagt, die Computerfirma DELL, die bis vor kurzem von Limerick aus ihr Europageschäft betrieb, sei nur die zweitgrößte Firma hier gewesen.

Erst seit den Gewaltausbrüchen vor acht Jahren, als man in Limerick begann, mit AK47-Maschinengewehren aufeinander zu schießen, ist die Drogenszene zu einem liberaleren Markt geworden. Das familiäre Augen- und Zähnezählen geht derweil auf allen Seiten weiter. Wenn sich zwei Kinder gegenseitig auf dem Schulhof anrotzen, dann kloppen sich die Mamas und Papas abends im Pub die Rüben ein. Nachts geht man mit dem Hurling-Stock bewaffnet und schlägt die Autoscheiben des Nachbarn kaputt. Man hat einen angeschliffen Schraubenzieher in der Tasche, der notfalls gut ins Fleisch dringt. Man fährt mit dem Auto vor das Haus des Nachbarn und schießt die Scheiben mit Schrot ein. Irgendwann läuft man sich im Pub über den Weg, reizt sich gegenseitig und sticht sich ab. Dann kommt man in den Knast.

Im Knast gehen die Fehden weiter, nur sind jetzt die geografischen Faktoren wichtig. Wer aus Cork kommt, traut niemandem aus Limerick und umgekehrt. Nur wenn es gegen die Jungs aus Dublin geht (oder gegen die Justiz - keiner sagt gegen die gegnerische Familie aus), wird man sich einig. Das ist so irisch. Schon die Wikinger waren bass erstaunt, als sie vor tausend Jahren hier ankamen und nicht wie gewohnt plündernd, mordend und vergewaltigend durch die Dörfer ziehen konnten, sondern nur ein Stamm unter vielen im Kampf aller gegen alle waren.

"If I [...] go to prison I will be coming out in a box. But I will not lie down and die. As long as I have a breath of fresh air in me I will fight them." (Anthony Galvin: Family Feud. Gangland Limerick Exposed. Dublin 2003, S. 230.)

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