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Im Mai 2011 bin ich nach 6 Jahren in Irland zurück nach Deutschland gezogen und habe diesen Blog eingestellt. Mein neuer Blog heißt Geist und Gegenwart und ist unter www.geistundgegenwart.de zu erreichen.

Donnerstag, 14. Januar 2010

Irish rodeln – eine Insel im Ausnahmezustand

Von wegen Globale Erwärmung. Bullshit! Daran ist vermutlich der Vertrag von Lissabon Schuld. Dem hätten wir Iren nie zustimmen dürfen. Jetzt haben wir den Schaden und dasselbe scheißkalte Wetter wie Kontinentaleuropa.

Ich weiß, angeblich ist die Lage bei Ihnen auf dem Kontinent zur Zeit widrig. Aber kommen Sie mal zu uns nach Irland! Der Schnee steht uns bis zum Hals. Pro Tag fallen hier sagenhafte 5 bis 10 cm Neuschnee. Die Durchschnittstemperatur der letzten Wochen liegt bei eisigen 2 Grad. Minus! Das hat es seit 1982 nicht mehr gegeben. Folgerichtig hat die Regierung den Ausnahmezustand erklärt. Schulen schließen, Busse stehen still, der Flughafen ist dicht. Freitag früh fiel der Strom in unserem Stadtviertel aus, weil die Leute volle Pulle mit ihren Elektroheizern schlafen. Telefone gehen selbstverständlich nicht mehr und sogar die heiligen Gealic-Sports-Veranstaltungen wurden abgesagt. Ja, die Armee musste ausrücken, um gegen die zwei Minusgrade zu kämpfen. Dieser Winter ist schlimmer als es die IRA jemals war.

Auch der DART ist hoffnungslos überlastet, weil die Werktätigen auf dem Weg zur Arbeit aufs Auto verzichten. Große und kleine Firmen haben deshalb ihre Mitarbeiter gebeten, zu Hause zu bleiben. Das ist immer noch besser, als bei -2 °C öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Viele Straßen mussten gesperrt werden, weil es kein Salz mehr gibt. Ich sah zwei Polizisten, die in der Innenstadt den Bürgersteig salzten. Mit 500 Gramm Speisesalz, das sie sich aus dem Supermarkt besorgt hatten. Inzwischen hat man 25000 Tonnen Steinsalz aus Polen und Litauen angefordert. Ob das rechtzeitig ankommt, muss zitternd abgewartet werden. Es kommt jedenfalls zu spät für die Müllabfuhr. Die hatte mir eine SMS geschickt, dass ich mir keine Hoffnungen machen solle.

Die Warteräume der Krankenhäuser sind überfüllt. Und nicht wegen Schweinegrippe. Es gibt 70% mehr Unfälle auf Straßen und Gehwegen. Verkehrsminister Dempsey war seit Jahresende verschwunden - wie von der Lawine verschluckt. Keiner wusste, wo er steckte und wann er wiederkommen würde. Oder ob! Bis er sich letzte Woche von einem Golfplatz in Malta meldete und den Umweltminister Gormley zum Minister of Snow kürte. Ein cleverer Zug übrigens, denn der letzte Minister of Snow Michael O'Leary musste im Frühjahr 1982 gehen, nachdem die 10 cm Schnee getaut waren und überall im Land das Vieh auf den überschwemmten Weiden ersoffen war. Diesen Winter sind bereits irische Kartoffeln im Wert von 15 Millionen Euro erfroren. Das weckt schlimme Erinnerungen. Steht die nächste Hungersnot bevor? Müssen wir alle nach Amerika auswandern?

Die Politik wirft den Bürgern unterdessen vor, jeden "Appetit auf Selbsthilfe" in einer solchen Krise verloren zu haben. Anstatt eine Schippe Sand in die Hand zu nehmen, erwarteten sie, dass der Premierminister persönlich zu ihnen nach Hause komme und den Bürgersteig vom Eise befreie. Bunch of Pussies! Ich soll nicht immer fragen, was die Müllabfuhr für mich tun kann. Ja, ich kann meinen Müll auch aufessen, anstatt mich immer nur zu beklagen.

Die einzige Hoffnung kommt – wie so oft – von unseren Kleinen. Die packen die Winter-Krise von der richtigen Seite an und rodeln was das Zeug hält. Jeder dreckig mit Raureif überzogene Hügel wird da zur Piste. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Schlitten in Irland noch gar nicht erfunden ist. Für viele Tweens ist es das erste Mal Schnee in ihrem Leben. Also rodeln sie auf allem, was nicht angeschweißt ist: Mülltonnendeckel, Straßenschilder, Wahlplakate, halbe Koffer oder einfach nur ein Stück Pappe. Aber sehen Sie selbst...

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