Dieser Blog ist archiviert...

Im Mai 2011 bin ich nach 6 Jahren in Irland zurück nach Deutschland gezogen und habe diesen Blog eingestellt. Mein neuer Blog heißt Geist und Gegenwart und ist unter www.geistundgegenwart.de zu erreichen.

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Die Iren beschweren sich über Google Street View...

...aber nicht wie die Deutschen. Sie beschweren sich nicht darüber, dass ihre Häuserfronten im Internet zu sehen sind, sondern dass sie dort fehlen. Die gesamte Stadt Limerick ist in Aufruhr, weil bestimmte Gebiete wie die berüchtigten Estates Ballynanty und Moyross aus, wie es bei Google heißt, "operationalen Gründen" nicht in Street View eingebunden wurden. Ich habe vor fünf Jahren einige Zeit in Limerick gelebt und finde, dass man nicht viel verpasst, wenn man nicht jede Straße sieht.

Nur die blau markierten Straßen Limericks sind in Street View sichtbar
Limericks Bewohner jedoch vermuten, dass es sich um eine diskriminierende Aktion Googles handele, denn ausgelassen wurden die benachteiligten Wohngebiete der auch als "Stab City" bekannten Stadt an der Westküste. Etwa 40% aller Messerstechreien Irlands passieren in Limerick und diese Stadt ist dreimal kleiner als Cork und zehnmal kleiner als Dublin.

Kleiner Exkurs: Limericks Gewalt kommt aus Fehden zwischen unterschiedlichen Familien. Die Hauptrivalen waren erst die Kellys gegen die McCarthys und später die Ryans gegen die Collopys. Michael Kelly, der Pate der Kellys, ein verurteilter Einbrecher, Gewalttäter und mutmaßlicher Mörder, wurde von den Limericks 1999 als "Alderman" in den City Council gewählt, nachdem er beinahe bürgerlich eine Security Firma aufgezogen hatte. 2004 starb er an einer Schusswunde am Kopf, die er sich möglicherweise selbst besorgt hatte. Die heiße Phase der Familienfehden umfasst die letzten 25 Jahre. Inzwischen geht es natürlich vor allem um Prostitution (es gibt einige Bordelle, Topless-Massage-Salons und sogar eine Fetisch- und Folterkammer) und Drogen.

Die geschäftsführende Familie, die Keanes, sind ursprünglich Kohlenhändler. Mutter, der Mann mit dem Koks ist da. Von Limerick aus versorgten sie Clare, Galway, Kerry, Cork und Tipperary. Erst seit den Gewaltausbrüchen vor einigen Jahren, als man in Limerick begann, mit AK47-Maschinengewehren aufeinander zu schießen, ist die Drogenszene zu einem liberaleren Markt geworden.

Das familiäre Augen- und Zähnezählen geht derweil auf allen Seiten weiter. Wenn sich zwei Kinder gegenseitig auf dem Schulhof anrotzen, dann kloppen sich die Mamas und Papas abends im Pub die Rüben ein. Nachts geht man mit dem Hurling-Stock bewaffnet und schlägt die Autoscheiben des Nachbarn kaputt. Man hat einen angeschliffen Schraubenzieher in der Tasche, der notfalls gut ins Fleisch dringt. Man fährt mit dem Auto vor das Haus des Nachbarn und schießt die Scheiben mit Schrot ein. Irgendwann läuft man sich im Pub über den Weg, reizt sich gegenseitig und sticht sich ab. Dann kommt man in den Knast. Hier gehen die Fehden weiter, nur sind jetzt die geografischen Faktoren wichtig. Wer aus Cork kommt, traut niemandem aus Limerick und umgekehrt. Nur wenn es gegen die Jungs aus Dublin geht (oder gegen die Justiz - keiner sagt gegen die gegnerische Familie aus), wird man sich einig.

Vielleicht hat sich der Fahrer von Google einfach nicht ins nachbarschaftliche Kriegsgebiet getraut.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen