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Im Mai 2011 bin ich nach 6 Jahren in Irland zurück nach Deutschland gezogen und habe diesen Blog eingestellt. Mein neuer Blog heißt Geist und Gegenwart und ist unter www.geistundgegenwart.de zu erreichen.

Sonntag, 13. März 2011

Die Parabel von der Irischen Entschuldung

Die Zeiten sind hart, alle haben Schulden...
Hier ist eine kleine Geschichte, die man sich gerade in Irland erzählt:

Es ist ein langsam vergehender Tag in einem kleinen nassen Irischen Städtchen. Die Zeiten sind hart, alle haben Schulden, alle leben auf Kredit.

Am Hotel hält ein deutscher Wagen mit deutschem Kennzeichen. Ein Mann steigt aus und geht hinein. Er legt einen 100-Euro-Schein auf den Tresen und verlangt vom Hotelier Schlüssel zu den oberen Zimmern. Er möchte sich eins für die kommende Nacht aussuchen.

Als der deutsche Besucher nach oben entschwand, nahm der Hotelier die 100 Euro und zahlte seine Schulden an den Fleischer neben an zurück. Der rennt zum Schweinezüchter, um dort seine Schulden für das gelieferte Fleisch zu zahlen. Der Bauer läuft zum Futterbetrieb und gibt dort die 100 Euro ab, die er noch fürs Schweinefutter schuldet. Der Futterhändler läuft zum Pub, wo er endlich seine 100 Euro Trinkschulden zurückzahlt. Der Barmann schiebt den Schein einer Prostituierten zu, die es auch schwer hat, ihm aber ihre Dienste auf Kredit anbot. Die Prostituierte läuft zum Hotel und zahlt dem Besitzer die 100 Euro für die Zimmermiete, die sie noch schuldete.

Als der Deutsche wieder runter kommt, liegt der 100-Euro-Schein wieder auf dem Tresen. Etwas abgegriffen zwar, aber dennoch 100 Euro. Der Deutsche nimmt die 100 Euro und sagt, ihm gefielen die Zimmer nicht. Er steigt mit samt dem Geld in sein teures Auto und verlässt das Städtchen.

Niemand produzierte etwas und niemand verdiente etwas. Trotzdem sind die Einwohner des Städtchens nun entschuldet und sehen der Zukunft wieder mit ein bisschen Optimismus entgegen.

(Auf Englisch gelesen auf Jaded Isle)

Mittwoch, 9. März 2011

Organisiertes Verbrechen: Gangs of Dublin

Irische Gangster im Film (1998)
Dublin hat den Ruf, eine Stadt zu sein, in der nicht die Polizei das organisierte Verbrechen bekämpft, sondern in der sich die Gangmitglieder auf traditionelle gälische Art gegenseitig dezimieren. Schon die Wikinger zeigten sich im 10. Jahrhundert beeindruckt davon, dass die Iren sich lieber gegenseitig bekämpften, als gemeinsam gegen die neuen Eindringlinge vorzugehen.

Mindestens 17 Gangs - beziehungsweise Familien - soll es beispielsweise in Dublin geben. Seit 1998 wurden nur 23 Mörder verurteilt, aber rund 200 Morde in der irischen Szene begangen. Die Polizei hatte einerseits nie die Mittel und andererseits erspart sich das Land alle möglichen Kosten bei der Polizei, den Gerichten und dem Strafvollzug. Speziell in den Neunzigern blühte der Drogenhandel und die Bosse wussten nicht wohin mit dem ganzen Geld. Ohne Scheu vor der Öffentlichkeit kauften sie riesige Villen, Ländereien und Pferderennställe. Wenn mal jemand für ein paar Jahre in den Knast kam, ging es danach gleich weiter mit der Karriere oder man setzte sich ab in die Karibik. Die Gewinnspanne lag bei 800% und die einzigen Feinde waren die anderen Familien, die das gleiche Business betrieben.

Illustre Gangster wie The General Martin Cahill wurden legendär und kontrollierten den Handel von Heroin, Koks und Canabis in Dublin. Cahill, ein Familienvater und Taubenzüchter, der keinen Alkohol trank und keine Drogen konsumierte, wurde 1994 auf offener Straße angeblich von der IRA erschossen, da er die sonst übliche Kooperation mit dieser Organisation verweigerte. Cahill galt vielen als eine Art Robin Hood, war in Wirklichkeit jedoch ein brutal folternder Mörder, der seinen Rivalen gerne mal Nägel durch die Hände schlug oder die Ohren abschneiden ließ.

Der Welle der Gewalt in den Neunzigern folgten einige kurzfristige Erfolge, da man durch das neu gegründete Criminal Assets Bureau lernte, nicht die Gangster als Personen zu bekämpfen, sondern ihnen Geld und Besitz nahm. Daraufhin passte sich die Szene an und wurde dezenter und unauffälliger. Gelder wurden außer Landes gebracht oder gewaschen und nicht einfach auf den Kopp gekloppt.

Der irische Canabis-Handel soll mittlerweile in vietnamesischer Hand sein. Die Rezession half mit der Bereitstellung von billigen Mietshäusern, die in Gewächshäuser umgewandelt werden, sodass man günstig hochpotente Pflanzen vor Ort anbauen kann und sich den teuren und riskanten Schmuggel über das Meer erspart. Die Canabis-Szene ist im Moment eher gewaltfrei, Experten gehen jedoch davon aus, dass die wachsenden Gewinnspannen auch die irischen Familien anziehen wird - mit den absehbaren Folgen für die Vietnamesen.

Dienstag, 8. März 2011

Google kauft 3 Bürogebäude in Dublins Innenstadt

Die Internetfirma Google hatte gerade vor ein paar Wochen ein neu gebautes Bürogebäude für 99 Mio Euro gekauft und gab nun bekannt, dass es auch die bereits zuvor schon von der Firma für jährlich 8 Mio Euro gemieteten Bürogebäude auf der anderen Straßenseite für weitere 100 Mio Euro gekauft hat. Die National Asset Management Agency (eine Art Treuhand, die versucht den Schaden der geplatzten Immobilienblase durch Verkäufe einzudämmen) freute sich über den Verkauf des neu erbauten Bürokomplexes. Dank der dramatisch gesunkenen Preise ist es zwar immer noch ein Milliardengrab für den Steuerzahler, jedoch ist ein Verkauf zum leicht über dem Marktwert liegenden Preis ein kleiner Erfolg. Google war bereit den Preis zu zahlen, da das Gebäude strategischen Wert hat und auch als Investition zu sehen ist. Außerdem braucht die Firma dringend Platz für die bereits angekündigten neuen 1000 Mitarbeiter, die dieses Jahr noch eingestellt werden sollen. Wer die Büros von innen kennt, wird wissen, dass es zuletzt schon manchmal eng werden konnte.


Google Europe HQ, Gordon Street. Bewege das Bild mit der linken Maustaste oder gehe zur großen Kartenansicht

Am Wochenende las ich den interessanten und ausführlichen Artikel When Irish Eyes Are Crying. Er beschreibt hervorragend, wie ein vor Geldgier blinder Klüngel von einigen wenigen Immobilien- und Kreditspekulanten dieses Land in den Ruin getrieben hat. Natürlich nicht, ohne ein blindes Volk, das das Versprechen vom plötzlichem Reichtum ohne Gegenwert gerne geglaubt hat. Es fasziniert mich immer wieder, wie einfach die Erklärung ist: Künstlich in die Höhe getriebene Preise beförderten einen Bauboom, der viel zu viele Wohnraum für dieses Land mit seiner kleinen Bevölkerung produzierte. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie ich da stand, als ich vor einigen Jahren ankam und dachte: Wer soll in all diese Wohnungen ziehen? So viele Leute hat das Land gar nicht, selbst falls die Einwanderung anhalten sollte. Und dabei ist es geblieben: Geisterstädte überall. Die Einwanderer sind wieder nach Polen und Lettland abgezogen. So banal und einfach, dass es nicht einmal ein Studium braucht, um diese Fragen aufzuwerfen.

Sonntag, 27. Februar 2011

Spaziergang: 13 Kilometer Küste auf Howth


Gestern bin ich 13 Kilometer an der Irischen Küste entlang gelaufen. Es kam mir dabei zuweilen vor, als sei die Natur die schönste und einfachste Passform meines Geistes. Rechts von mir waren immer die Berge, links immer das Meer, oben der leere Himmel und unter mir der feste Boden. So einfach, vier Stunden lang. Ich ging in diesen unkomplizierten Strukturen komplett auf. Meine Gedanken entwirrten sich ohne mein Zutun. Als ich am Abend zurück kam, stellte ich fest, dass sich einige der Problemknäuel, die mir zuvor zu schaffen gemacht hatten, aufgelöst hatten. Ich erkannte meine Begrenztheit in Situationen, die ich vorher noch meinte, aktiv meistern zu müssen. Nun dachte ich: Es ist, wie es ist und was daraus wird, muss sich zeigen. Ich war nach den 13 Kilometern ganz schön fertig und schlief am Abend wie ein Baby. Mehr dazu auf Geist und Gegenwart.

Dienstag, 25. Januar 2011

Irische Steuern und Sozialabgaben für Arbeitnehmer

Auch nach den neusten Änderungen und Anhebungen im irischen Budget sind Steuern für Arbeitnehmer in Irland immer noch vergleichsweise günstig und unkompliziert. Im Folgenden findet sich eine kleine Übersicht, mit welchen Abzügen vom Lohnzettel im Jahr 2011 zu rechnen ist:

Sozialversicherungsbeiträge
  • Universal Social Charge wird zu 7% auf das gesamte Einkommen erhoben
  • Pay Related Social Insurance wird zusätzlich zu 4% auf das gesamte Einkommen erhoben
Einkommenssteuern
  • Jahresverdienst bis 32.800 € werden für Singles mit 20% versteuert, alles darüber mit 41% (2010 war die Grenze bei 36.400 €)
  • Alleinerziehende: 20% bis 36.800, darüber 41%
  • Verheiratete: 20% bis 41.800, darüber 41%

Steuernachlässe wurden generell um 10% reduziert, manche Nachlässe wie z.B. die für Mieter werden über die nächsten Jahre eingestellt.

Mehr zu den neuen Steuern für Arbeitnehmer findet man auf den Seiten des irischen Finanzamts Revenue. Sehr praktisch ist auch der online Steuer-Rechner von Deloitee.

Montag, 24. Januar 2011

Mobiles Internet in Irland

Huawei E1222 von Three.ie
Bei mobilen Broadband-Modems hat sich in letzter Zeit viel getan. Sie sind klein, preiswert und praktisch, wenn man mit dem Laptop auch unterwegs Internetzugang haben möchte. Mein erstes Modem dieser Art war von Vodafone, ziemlich groß und mit einem Kabel an den USB-Anschluss angebunden sah es eher aus, wie eine Maus. Neue Modems sehen nicht anders aus, als ein herkömmlicher USB-Memory-Stick. USB-Speicher ist eine Funktion, die heutige Modems zusätzlich auch noch erfüllen. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung über diese Mobilfunknetze ist jedoch bescheiden. Aber auch hier wird der Fortschritt nicht halt machen.

Anbieter versuchen natürlich, möglichst viel Geld herauszuholen und ihre Kunden am besten per Vertrag über Jahre an sich zu binden. Als ich vor ein paar Monaten zurück nach Dublin kam, wollte ich mich aber nicht vertraglich binden, weil ich schlecht abschätzen konnte, wie lange ich hier bleiben wollte. Also klapperte ich die verschiedenen Anbieter ab: Vodafone, Meteor, O2 und Three. Entweder gab es nur Verträge oder die Modems waren überteuert. Three hatte das beste Angebot: 30 € für das Modem und dann "pay as you go", also ohne Vertrag, soviel zahlen, wie man verbraucht.

Linux? Viel Glück!
Soweit so gut die Theorie. Das Kundenerlebnis insgesamt ist jedoch eher frustrierend. Erst stellte sich heraus, dass diese Modems (in meinem Fall ein Huawei E1222) das Betriebssystem meines Laptops Linux nicht mögen. Man riet mir sogar ab, ein Modem zu kaufen, da es nicht laufen würde. Trotzig versuchte ich mein Glück. Mit etwas Recherche in Linux-Foren und viel hin und her zwischen dem indischen Kunden-Service, mir und dem Three-Laden in der Grafton Street (wo sie kein Vorführgerät hatten) und der Thomas Street gelang es mir jedoch, alles einzurichten. Die komplette Anleitung kann man in meinem Buzz Mission mobile broadband on Linux auf Englisch nachlesen.

Umständliches Aufladen der Kredite
Seit dem läuft alles hervorragend. Einzig und allein das Neukaufen von Krediten ist eine Schande. Zum einen dauert das zu lange. Erst logt man sich ein, die Seiten laden ewig, dann zahlt man zum Beispiel 20 €, dann wartet man mindestens 10 Minuten, bis das Geld im Konto gutgeschrieben ist. Am besten, man wechselt den Browser währenddessen, denn die Cookies scheinen zu erinnern, dass man kein Geld auf dem Konto hat, auch wenn man gerade bezahlt hat. Dann muss man mit dieser Gutschrift auf eine neue Seite gehen und hier entsprechende Services kaufen, also z.B. einen Monat Broadband, limitiert auf 1GB für 15 €. Dann wartet man wieder ewig. Der Kundenservice empfiehlt, das Modem zu entfernen und wieder anzuschließen. Wenn man Glück hat, geht alles nach 30 Minuten wieder.

Miese Preispolitik und armselige Website-Programmierung
Zum anderen ist da die Preispolitik, die einen unangenehmen Beigeschmack hat. Hat man hier wirklich die besten Interessen des Kunden im Auge? Und wenn nicht: Ist das kluge Unternehmenspolitik in einem Markt, der immer heftiger umkämpft ist? Folgende Optionen stehen zur Verfügung:

Sonntag, 23. Januar 2011

Dublin und Berlin im Google Books Ngram Vergleich

Mit dem neu entwickelten Google Books Ngram Viewer kann man sich wunderbare Vergleiche über das geschichtliche Vorkommen aller möglichen Begriffe in der Literatur verschiedener Sprachen als Graphen anzeigen lassen. Der unten stehende Graph zeigt zum Beispiel das Vorkommen der Wörter "Berlin" und "Dublin" zwischen 1890 und 2008 in der englischsprachigen Literatur im Vergleich.

Dublin und Berlin im Google Books Ngram Vergleich

Man sieht, dass Dublin unter britischer Herrschaft in der ersten Decade des 20 Jahrhunderts in Blüte stand. W.B. Yeats hatte 1898 die "Irish Literary Theatre Society" gegründet, das Theater war populär und die internationale Weltausstellung eröffnete 1907 in Dublin. Nach dem Abwärtstrend bis in die 20er Jahre im Schaten des 1. Weltkrieges, fängt sich die Kurve, als Yeats (1923) und George Bernard Shaw (1925) den Literatur Nobelpreis zugesprochen bekommen. Ins Tal der literarischen Bedeutungslosigkeit geht es mit Dublin dann im 2. Weltkrieg. 1969 erhält Samuel Beckett den Literatur Nobelpreis. Eine mögliche Erklärung für die Auferstehung um 1970? Ende der 90er Jahre macht Irland und damit die Hauptstadt als Weltwirtschaftswunder Karriere. Die Amplitude der Kurve zu dieser Zeit deckt sich mit dem Aufkommen des Begriffes Celtic Tiger.

Berlin hat um die erste Jahrhundertwende einen noch extremeren Ausschlag, die Expressionisten sind daran nicht ganz unschuldig. Natürlich geht es mit Berlin "aufwärts" (nur im Sinne dieser Kurve), als es Zentrum zweier Weltenbrände wird. Um die 60er Jahre gibt es eine Menge Literatur, die die Nazizeit aufbereitet und dann kommen die 68er Studentenproteste. Der kleine Hügel zum Fall der Mauer, sieht jedoch, gemessen an der weltgeschichtlichen Bedeutung dieser Jahre, etwas enttäuschend aus. Aber natürlich sind meine Interpretationen hier eher erste Spekulationen.

Der Google Books Ngram Viewer ist jedenfalls ein sehr kurzweiliges kleines Tool mit riesigem Potential für die Wissenschaft. Toll sind die Links zu Google Buchsuche Resultaten unter dem Graphen. Hier kann man mehr zum Books Ngram Viewer lernen.